Teil 3: 300 Jahre alte Mentoren

Teil 3: 300 Jahre alte Mentoren

VON Elisabeth Boodes

Von Veröffentlicht am: 11. August 2025Kategorien: Tagebuch einer Prädikantin458 Wörter2,3 min LesezeitAufrufe: 563Schlagwörter: , , ,

Begleitend zu den Wochenendseminaren in der Ausbildungsstätte müssen wir für die Prädikantenausbildung einen Mentor, nach Möglichkeit eine Pfarrerin, einen Pfarrer, „mitbringen“. Diese Person begleitet den Ausbildungsprozess mit Blick auf die allgemeine Predigtpraxis, aber auch mit Blick auf die konkrete Gemeinde und vertieft die Ausbildungsinhalte nach Bedarf. Mein Mentor und Gemeindepfarrer und ich haben es uns zur Aufgabe gemacht parallel zum Kurs das Buch „Klassiker der protestantischen Predigtlehre“ (Hrsg. Christian Albrecht u. Martin Weeber, Mohr Siebeck) durchzuarbeiten.

Kinder ihrer Zeit

Es werden Predigtlehren seit Luther anhand konkreter Personen vorgestellt, die sich in der Homiletik einen mir nicht immer bekannten Namen gemacht haben. Jeder Prediger war auch immer Kind seiner Zeit. Und dennoch stelle ich fest, dass wir uns heute häufig Gedanken machen, die vor 300 Jahren auch nicht neu waren. Die Aufklärung brachte mit sich, dass das einzelne Gemeindeglied nicht nur mitdachte, sondern das Gehörte hinterfragte. Das führte an einigen Predigtstätten im 18. Jh. zu Rückzug und Verhärtung, in anderen wurde die Herausforderung auch als Chance anerkannt: „Die Gemeinde hat das Recht darauf, mit Einsicht aus vernünftigen Gründen zu glauben.“ Noch nie hatte ich den Namen Lorenz von Mosheim (1693–1755) gehört. Er stellte fest: „Die Welt wird immer klüger.“, aber „Die meisten Menschen sind zu träge und zu schläfrig, und wenden die Wahrheiten wovon sie überzeugt sind nicht an, wenn sie nicht dazu angeführet werden […] sie bringen keine große Begierde mit sich … zu lernen und sich zu bessern. […]

Zur frömmigkeitspraktischen Umsetzung ihres Wissens sind sie zum großen Teil weder Willens noch in der Lage.“ Zwischen meinem Mentor und mir entbrennt eine heiße Diskussion über die Aktualität dieser Worte. Lorenz von Mosheim sitzt als Dritter mit am Tisch und verteidigt seine Position aus aufklärerischer Zeit heraus – einer Zeit, die der unsrigen Umbruchzeit, gekennzeichnet von Informationsflut, individuellen Möglichkeiten und subjektiver Überforderung sehr ähnlich zu sein scheint. Von Mosheim nennt es „verderbte Zeiten…, worin Zweifel und Unglaube immer mehr um sich greiffet und viele Christen anstecket.“

Das Rad nicht neu erfinden

Wir Prädikantenanwärter:innen werden in einer Zeit ausgebildet, in der wir nüchtern betrachtet auf einen erheblichen Kanzelpersonalnotstand zusteuern. In unserer Gruppe wird die Vermutung laut, dass das Prädikantenamt in zehn Jahren noch viel mehr Bedeutung haben wird, als es noch vor zehn Jahren der Fall war. In vielen Kirchengemeinden sind wir dann voraussichtlich nicht mehr ehrenamtliche Abwechslung positivster Art, sondern eine Notwendigkeit, damit in Zeiten, in denen „Zweifel und Unglaube auch viele Christen anstecket“ Gottes Wort zur Erbauung der Gemeinde gepredigt wird. Gut zu lernen, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen, sondern vieles schonmal gespürt, gedacht, erbeten und gesegnet wurde.

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