„Fuckup-Night“
„Fuckup-Night“
VON Laura Schwier
Warum wir auch die Geschichten des Scheiterns in unseren Kirchen brauchen
Vielleicht mussten Sie gerade wie ich damals einmal zusammenschrecken, als Sie das Wort „Fuck“ gelesen haben. Ja, der Titel der Veranstaltung meint auch genau dieses unschöne Wort, das gerade Menschen meiner Generation in ihren anglizistischen Sprachgebraucht aufgenommen haben. Im Deutschen heißt „to fuck (something) up“ so viel wie „etwas versauen“ oder auch „Mist bauen“. Und damit sind wir auch beim Thema der Veranstaltung angekommen: Die „Fuckup-Geschichten“ oder einfach nur „Fuckups“. Ein Abend, an dem es um Geschichten geht, in denen jemand schonmal so richtig gescheitert ist oder einen großen Fehler gemacht hat. Denn sind wir mal ehrlich: Jede*r hat schon einmal ein „Fuckup“ erlebt. Jede*r Mensch kennt persönliche Scheiter-Geschichten, die bei einem selbst viel Scham bis hin zu Angst auslösen.
Einander zuhören
In der Gesellschaft über solche Scheiter-Geschichten zu reden, erlebe ich oft als Tabu. Man redet viel lieber über eigene Erfolgs-Geschichten als offen darüber zu kommunizieren, was man letztens für einen Fehlschlag erlebt hat. Umso wohltuender war dieser Abend: Wir hörten von drei Sprecher*innen, wie beispielsweise von Maria, wie sie im Ausland eine gravierende Magenvergiftung bekommen hatte, weil sie etwas gegessen hatte, wovon ihr vorher sehr eindrücklich abgeraten worden war. Aber vor allem hörten wir einander zu, da es zu diesem Abend auch gehörte, sich gegenseitig eigene kleine oder große Fuckups zu erzählen – frei nach dem Motto „Jede*r darf, keine*r muss“. Es war ein Abend, um zu bemerken: Wirklich jede*r kann eine Scheiter-Geschichte erzählen.
Als mein Mentor Pastor Jonas Goebbel mich fragte, was ich mir als Projekt in meinem freiwilligen Praktikum in seiner Hamburger Gemeinde vorstellte, kam mir schnell die Idee: Eine eigene „Fuckup-Night“! Wir wollten einen Abend in gemütlicher Atmosphäre, mit Platz zum Hören und Erzählen und mit klaren Regeln:
- Kein Shaming, keine Schuldzuweisungen: Jeder Fehler ist ein Teil des Lernprozesses. Heute geht’s um Akzeptanz, nicht um Verurteilung.
- Ehrlichkeit zählt: Es geht nicht darum, die Fehler schönzureden. Je ehrlicher wir sind, desto mehr können wir voneinander lernen.
- Lachen erlaubt: Fehler sind oft echt lustig, also lasst uns gemeinsam darüber lachen.
- Kein Zwang: Jede*r darf heute etwas erzählen, aber keine*r muss.
Nachdem wir unsere „Fuckups“ miteinander geteilt hatten, waren unsere beiden Sprecher dran: Jochen begann damit, wie er zweimal durch seine Abschlussprüfungen fiel, obwohl er sich sehr viel Mühe gegeben hatte. Der Grund für seinen Misserfolg lag dabei nicht bei ihm, sondern bei der Prüferin, die ihm das Bestehen wahrscheinlich wegen ihres „Männerhasses“ verweigerte. Nur mit sehr viel Aufarbeitung und Unterstützung konnte er wieder Mut fassen, um die Prüfung mit einem Zweitprüfer zu wiederholen. Auch Pastor Jonas erzählte, wie er mehrmals Erfolge im Poetry-Slam feiern konnte, bis er beim größten Poetry-Slam-Wettbewerb Hamburgs dann den Scham-Auftritt seines Lebens hinlegte – keine*r lachte oder konnte Jonas‘ Slam etwas abgewinnen. Das war ihm so unangenehm, dass er ab dem Moment dem Poetry Slam abschwor.
An Jesu größten Scheiterpunkt sagt er dem gescheiterten Mitgekreuzigten zu: ‚Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.‘
Von Jesus lernen
Beiden merkte man an, dass es ihnen nicht einfach viel, von diesen Scheiter-Geschichten zu erzählen. Denn eigentlich möchte man einem fremden Publikum ja eher Erfolgs-Geschichten erzählen als Geschichten, in denen man einen Fehler gemacht hat und deswegen Scham verspürt. Doch in der Atmosphäre des Abends, den Applaus oder spätestens ab den Gesprächsrunden konnten beide merken, wie inspirierend beide Berichte waren. Und das nicht nur sie solch Geschichten erzählen können, sondern eigentlich jede*r Anwesende.
Neben den realen Fuckups habe ich noch über biblische Fuckups berichtet. Und da gab es so einige zu erzählen: Adam und Eva, Kain und Abel, Noahs Trunkenheit am frisch gepflanzten Weinberg, Jona und der Wal, David und Batseba, und, und, und – die Bibel hat wirklich einiges an scheiternden Menschen zu bieten. Und auch Jesus scheitert: Nicht nur in seiner Heimatstadt, in der er als „Verrückter“ abgelehnt wird, sondern auch später am Kreuz als größter Fuckup der Geschichte. Und gleichzeitig ist es auch der Moment, der mir immer wieder Gänsehaut bereitet. An Jesu größten Scheiterpunkt sagt er dem gescheiterten Mitgekreuzigten zu: „Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.“
AUTORIN · AUTOR
Laura Schwier ist angehende Vikarin in Schaumburg-Lippe und verbringt die meiste Zeit damit, in ihrem Kopf Luftschlösser zu bauen. Glücklicherweise hat sie gerade ihren Mann geheiratet, der ihr immer wieder hilft, ihre ganzen Ideen in die Tat umzusetzen.
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