Bibelauslegung versus Friedhofsverwaltung
Bibelauslegung versus Friedhofsverwaltung
VON Tanja Kasischke
Wenn ein Pfarrer für 11 Dörfer zuständig ist und er sich zwischen Kanzel und Papierkram aufreibt. Wie sich Kirche im Sprengel Nuthe-Fläming (Großraum Jüterbog im südlichen Brandenburg) dieser Herausforderung stellt.
Die Strukturen im Stellenplan der EKBO sind ziemlich festgelegt; Pfarrstelle ist Pfarrstelle, Verwaltungsstelle ist Verwaltungsstelle. In unserem Fall war eine Pfarrstelle des Sprengels seit mehreren Jahren vakant. Ihre Umwidmung zur Assistenz für die Geschäftsführung bot die Möglichkeit, Aufgaben neu zu verteilen und sie der Realität kirchlichen Arbeitens anzupassen: Ländlicher Raum, große Entfernungen, immer weniger Hauptamtliche bei gleichzeitig wachsender Verwaltungsarbeit.
Verkündigung braucht Verkündiger*innen
Viele der Verwaltungsvorgänge führt nun tatsächlich die Verwaltungsfachfrau. Das Pfarrerteam tritt erst an strategisch entscheidenden Stellen hinzu. Mein Wunsch ist, dass Kirchenkreise perspektivisch mehr Stellen für eine hauptamtliche Geschäftsführung einrichten oder umwidmen.Das schafft Ressourcen für die Verkündigung. Ich bin mir sicher, dass ein großer Teil meiner Gottesdienstgemeinde am Sonntag enttäuscht wäre, wenn ich aus dem Friedhofsgesetz mit seinen 55 Paragrafen predigen würde – anstatt aus der Bibel.
In der Vergangenheit erwartete die Landeskirche, dass eine Pfarrperson die Geschäftsführungihrer Gemeinde mal eben mitmacht. So viel Geschäftliches gab es schließlich nicht zu tun. Das sieht längst anders aus: Pfarrstelleneinsparungen einerseits, Vakanzen andererseits haben den Anteil der pfarramtlichen Tätigkeiten für die verbliebenen Hauptamtlichen inzwischen so sehr erhöht, dass für Geschäftliches gar keine Zeit mehr ist. Ich vertrete beispielsweise eine zweite Pfarrstelle neben meiner eigenen, das sind insgesamt zwölf Dörfer, zwölf Kirchen. Das bedeutet auch Fahrzeit. Eine Situation, die viele meiner Pfarrkolleginnen und -kollegen kennen. Die Folge ist: Kirchensanierungen, Bauprojekte oder Pachtvertragsänderungen können wir nur noch vereinzelt in vollem Umfang bewältigen. Und jetzt? „Wieso hat unsere Pfarrerin oder unser Pfarrer keine Zeit mehr für Bauberatungen und Förderanträge, wo die Dorfkirche doch so marode ist?“ Der Unmut der Gemeinde wächst an dieser Stelle.
Meine Gottesdienstgemeinde am Sonntag wäre enttäuscht, wenn ich aus dem Friedhofsgesetz mit seinem 55 Paragrafen predigen würde – anstatt aus der Bibel.
Jede Vakanz bringt erstmal einen Rückgang an Angeboten in Seelsorge, Gottesdienst und kirchlichem Leben mit sich. In den Gemeinden gehört zur Trauerphase über die fehlende Pfarrperson zugleich die Frage: Was finden wir vor Ort so wichtig, dass unser Anliegen oder die Veranstaltung unbedingt eine Pfarrperson braucht? Kann stattdessen ehrenamtliches Engagement den Erhalt sichern? Für den gesamten Kirchenkreis kann ich nicht sprechen. Aber in immer mehr Dörfern sind sich die Menschen darüber klar, dass es nicht mehr sinnvoll ist, überall alles zu machen. Da ist das Bewusstsein für einen Wandel kirchlichen Lebens da.
Die Augen nicht vor dem Wandel verschließen
Der Kirchenkreis Zossen-Fläming hat einen Struktur-Ausschuss, der Stellenpläne zur Vorlage für die Kreissynode erstellt. Dort werden Verkündigung und Verwaltung gleichrangig verhandelt. Nur manchmal habe ich den Eindruck, dass der Arbeitsaufwand der Verwaltung von Gebäuden und Grundstücken im Verwaltungsamt und im Kirchenkreis nicht entsprechend bedacht ist. Zum Beispiel sind im Kirchlichen Verwaltungsamt Süd nur zwei Mitarbeiter für sämtliche Grundstücksangelegenheiten der Kirchenkreise Zossen-Fläming und Berlin-Neukölln zuständig. Das ist ein riesiges Gebiet.

Foto von Nick Gosset auf Unsplash
AUTORIN · AUTOR
Dr. phil. Tanja Kasischke war Redakteurin des Reformationsblogs „Mensch, Martin!“. Seitdem berichtet sie über Themen der missionarischen Gemeindeentwicklung, der Öffentlichen Theologie und wie Kirche den Wechsel von der sprachlosen Parochie zum ansprechenden Netzwerk meistert. Sehr begeistert ist sie von der Wiederentdeckung des prophetischen Amts als Teil der apostolischen Dienstgemeinschaft. Sie lebt in Berlin.
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