„Alles kann, nichts muss“

„Alles kann, nichts muss“

VON Kathrin Beushausen

Von Veröffentlicht am: 10. September 2025Kategorien: Alle, Wanderrouten676 Wörter3,4 min LesezeitAufrufe: 404Schlagwörter: , , , , ,

Der Pop Up-Pub als erfolgreicher Prototyp

Von weitem sieht man eine bunte Regenbogenfahne wehen. Man hört das „Ping Pong“ der Tischtennisplatte, die auf der grünen Wiese mitten im Stadtzentrum steht. Kommt man näher, duftet es nach herrlichem Kaffee. Am Tresen gibt es neben Kaffeespezialitäten auch Limonade, selbstgemachte Snacks und ein offenes Ohr.

Einfach da sein

Ole versteht es, den Menschen mehr zu geben als nur ein Getränk. In den verschiedenen Ecken sitzen Gäste aller Altersgruppen. Mal mit Döner von nebenan in der Hand, mal mit Taschentuch – weil jemand da ist, der ehrlich zuhört, nicht urteilt, nicht die Bibel zitiert, einfach da ist. Am Abend werden Stühle zu kleinen Gruppen zusammengerückt. Eine Gruppe Frauen, die gemeinsam Yoga macht, genießt den Tagesschluss im Pop Up-Pub. Wir werden immer wieder angesprochen: „Was, sowas macht die Kirche?“ Ja! Wir probieren eine neue Form aus, ein Prototyp, der auch scheitern könnte – um zu zeigen, wie wohltuend Gemeinschaft sein kann. Wie schön es ist, Genuss, Einladung und Willkommen-Sein nach vorne zu stellen. Einen ganzen August bespielen wir die Wiese vor der Kirche mitten in der Kleinstadt Osterholz-Scharmbeck, in Beuys Kirchenkreis. Es gibt zum Glück nur ganz wenig Regen in der Zeit, dafür aber viel Offenheit für das, was wir da machen. Menschen bringen Blumen, helfen beim Aufräumen, bringen sich mit einem Workshop ins Programm ein. Wir spüren Segen und Rückenwind, trotz langer Tage.

Wir möchten, dass Menschen das Gefühl haben, gesehen zu werden.

Wir probieren es noch 2-mal aus. Im September ziehen wir mit unserer Idee in einen gemütlichen Altbau nach Buxtehude, hier ist Franziska mit ihrer „normalen Arbeit“ Zuhause: Es gibt Sofas, Konzerte, Schachturniere und begeisterte Neugierige, die gezielt schauen, was wir da so machen. Urplötzlich entstehen theologische Diskussionen, in der Fuck-Up-Night teilen wir unsere tiefsten Ängste miteinander. Auch an diesem Ort wohnen wir, drei DiakonInnen mit einer tiefen Sehnsucht, Kirche anders zu gestalten, als Wohngemeinschaft nah dran. Wir genießen den Austausch, erkennen unsere Stärken und reden offen über Schwächen. Es ist ein Ausprobieren und vor allem ein Lernprozess – für uns, so wie für unsere Kirchenkreise und KollegInnen. Wir lernen, G*ttes Spuren zu erkennen und ihnen nachzufolgen.

Den Oktober verbringen wir in Bremervörde in einer ehemaligen Eisdiele, mitten in Oles Netzwerk. Draußen wird es ungemütlich, drinnen kreativ: Menschen bieten Workshops an und bringen sich mit dem ein, was ihnen Spaß macht: Malen, Mosaik, Spielen, Musik, Poetry. Allen voran steht unser Why: Wir möchten, dass Menschen das Gefühl haben, gesehen zu werden. Jemand erzählt von seinen Tattoos – und gleichzeitig mitten aus seinem Leben. Kirchenfern, jung, erwachsen.

Gemeinsam Essen & Reden

Eine Sache haben die drei Standorte gemeinsam: sonntags um 19 Uhr feiern wir Abendbrot. Es gibt frisches Brot und Butter, der Rest wechselt – Pizza, Salate, Schokopudding, Überraschungen. Alle bringen mit, worauf sie Lust haben. Spontane Gäste werden einfach mitversorgt, es gibt immer mehr als genug. Nach einem Gebet laden wir ein: Zum Austausch von Leckereien und Geschichten. Die Tische sind mit Gesprächseinladungen gesäumt. Ältere sitzen neben Jüngeren, mal weniger, aber oft viele Menschen treffen sich und teilen, was sie mögen. Das Motto „Alles kann, nichts muss“ zieht sich als roter Faden durch unser Angebot. Und so hören wir von Wochenendgeschichten, Überzeugungen, Herausforderungen. Es fühlt sich so an, als sollten wir genau hier sein.

Ende Oktober feiern wir den Abschluss des Projekts, über 100 Einladungen haben wir dazu ausgesprochen. Es ist nicht selbstverständlich, dass diese Idee in den Kleinstädten Norddeutschlands von so unterschiedlichen Menschen mitgetragen wird, dafür sind wir sehr dankbar. Menschen kochen für diese Idee, leiten Workshops, leihen Kühlschränke und Räume, beten für uns. Wir denken, dass etwas angestoßen wurde. Unsere ehrliche Reflexion teilen wir mit allen, die mehr wissen wollen. In einem der Kirchenkreise tut sich mehr: Der Pop Up-Pub – ein Prototyp, der sich gelohnt hat.

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