„Wir schenken euch eine Kirche!“

„Wir schenken euch eine Kirche!“

VON Stefan Mendling

Von Veröffentlicht am: 10. Oktober 2025Kategorien: Alle, Wanderrouten871 Wörter4,5 min LesezeitAufrufe: 17Schlagwörter: , , , , , ,

Start der Familien-Kathedrale

Klack, der Ball rollt in Richtung Tor. Klack, abgewehrt. Einen kurzen Moment irrt er im Mittelfeld herum. Die Spieler in Rot versuchen an den Ball zu kommen. Und dann: Klack, Tor! So klingt es an einem Juni-Samstag in der Kirche im südpfälzischen Queichhambach.

Eingeschläfert

Die Dorfkirche gehört offiziell zu den Kirchen der Kategorie 3, „die nicht mehr für die kirchliche Arbeit genutzt werden.“ Das war zumindest das Ergebnis des Gebäude-Prozesses in der Pfalz. Kategorie 3 heißt: Licht aus, Tür zu – wir brauchen dich nicht mehr. Und beinahe wäre diese Kirche in einen Dornröschenschlaf gefallen. Aber da es bei ihr nichts mehr zu verlieren gibt, kommt es zu einem Experiment: Familien treffen sich in der Kirche zu einer „Umbau-Party“, um Platz zum LEGO®-Bauen zu schaffen. Sie überlegen, was alles umgebaut werden muss. Doch dann sind sie ungläubig: „Kriegen wir keinen Ärger? Dürfen wir das wirklich?“ Ja, sie dürfen! Dann werden Bänke abgeschraubt, verrückt und herumgetragen. Eine Bank muss mit der Kettensäge zerteilt werden. Die Kirche verwandelt sich. Es entsteht eine Saft-, Kaffee- und Kekse-Ecke. Dort wo die Bänke waren, bildet sich ein Freiraum. Auf einmal ist Platz – die Kirche kann wieder atmen. „Alleine bei der Umbauparty sind mehr Menschen in der Kirche als im letzten halben Jahr“, staunt der Pfarrer dieser Gemeinde.

Alleine bei der Umbauparty sind mehr Menschen in der Kirche als im letzten halben Jahr.

Dann kommen 400 Kilo LEGO® ins Spiel: Familien bauen damit die Weihnachtsgeschichte bzw. das, was ihnen daran am wichtigsten ist – an jedem Adventssonntag von 11.00 bis 14.00 Uhr. Überall raschelt es, Kinder wühlen in den Kisten und suchen nach den passenden Steinen. Eine Familie baut mit drei Generationen. „Da sind Steine dabei, die kenne ich noch aus meiner Kindheit in den Siebzigern“, sagt die junge Oma begeistert. Das ist für sie die Gelegenheit, wieder zum Kind zu werden und mit ihren Enkeln gemeinsam zu bauen – stundenlang. Und was dabei entsteht, steckt voller Theologie: Jesus bekommt eine Zwillingsschwester, Krokodile liegen friedlich neben der Krippe und die drei Könige haben eine Schatzkarte, damit sie nicht zu spät kommen. Die Eltern staunen, wie sich die Kinder in die Geschichte selbst einbauen – und welche Gedanken sie sich beim Bauen machen – komplex und theologisch. Und nahezu das ganze Dorf schaut sich an Heiligabend die Bauwerke in der Kirche an und kommt darüber ins Gespräch. Dieses Experiment zeigt, welches Potential in dieser Kirche steckt, wenn Familien gemeinsam am Werk sind!

Wachgeküsst

Dann wird sie offiziell Familien-Kathedrale: „Liebe Familien, wir schenken euch eine Kirche!“ Dass das ernst gemeint ist, erleben Familien bei ihrem Start im Juni: Der Duft von frischem Popcorn erfüllt die Kirche, ein Tischkicker, Musikinstrumente, LEGO®, Essen und Trinken – einen Tag lang kommen immer wieder Familien, schauen sich um, machen mit, schreiben Ideen und Wünsche auf Karten, machen sich ein Bild von der Kirche – und mit einer Sofortbildkamera ein Bild von sich für die Kirche. Und es gibt schon konkrete Wünsche: Weinprobe, Kindergeburtstag, Krimidinner, Lagerfeuer, Karaoke-Abende, Yoga, Kunstworkshops, Kirche Kunterbunt… Einige reagieren prompt mit „Da mache ich mit!“, „Da helfe ich mit!“, oder „Das kann ich anbieten!“ Davon lebt die Familien-Kathedrale: Alle bringen sich ein und mischen mit – ohne dass es ein vorgegebenes Konzept gibt. Gemeinsam wird davon geträumt, was hier alles möglich ist. Keine andere Kirche bietet so viel Raum für eigene Ideen – genau das ist ihre Größe und macht sie zur „Kathedrale“ (auch wenn sie äußerlich nur eine Dorfkirche ist): ein großartiger Raum für Familien!

Sie hat das Potential, eine neue Form von Kirche zu werden: eine Mitmach- und Mitträum-Kirche.

Sie steht noch ganz am Anfang, steckt noch in den Kinderschuhen. Aber sie hat das Potential, eine neue Form von Kirche zu werden: eine Mitmach- und Mitträum-Kirche. Eine Kirche, um die man sich keine Sorgen machen muss, weil sie davon lebt, dass alle mitmachen. Und wenn mal Reparaturen ins Haus stehen, dann soll es ähnliche Aktionen geben wie die „Umbau-Party“, bei der alle mit anpacken. Manche Eltern sind sogar „vom Fach“. Und solange Familien die Kirche nutzen, soll sie möglichst in Eigenleistung instandgehalten werden. Wenn sie dann tatsächlich nicht mehr gebraucht wird, dann gehen wir „zurück auf Los“ und denken nochmal über den Dornröschenschlaf nach. Aber noch rollt der Ball …

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