„Tauffest-Gottesdienst“ neu gedacht

„Tauffest-Gottesdienst“ neu gedacht

VON Dr. Klaus Neumeier

Von Veröffentlicht am: 16. Mai 2025Kategorien: Alle, Gottesdienste1080 Wörter5,6 min LesezeitAufrufe: 23Schlagwörter: , , , ,

Ein echtes Familienfest: Die Taufe mit Gottesdienst und anschließender Feier! Das ist wirklich schön und wertvoll – und doch passt nicht mehr alles so richtig zusammen … Das war zumindest vor einigen Jahren unser Eindruck. Ein paar Stichworte:

  • Da komme ich als Gemeindepfarrer zu einer Familie nach Hause. Das an sich ist für mich interessant und dass ich mich extra zu ihnen auf den Weg mache, wird durchaus als wertschätzend erlebt. Aber das Gespräch dann ist doch oft schnell etwas aufgesetzt; vor allem, sobald es um geistliche Inhalte, die Bedeutung der Taufe und ähnliches geht.
  • Im Gottesdienst ist die Taufe dann leicht fast ein Fremdkörper, der für die „normale“ Gottesdienstgemeinde den gewohnten Ablauf unterbricht – genau dieser aber ist den meisten Tauffamilien heute sehr fremd – inklusive Liedern, Sprache, Wechselgesängen. Auch die Predigt ist in aller Regel keine Taufansprache, sondern orientiert an der vorgesehenen Perikope.
  • Die Gemeinde kommt in der Taufhandlung kaum vor, obwohl wir doch gerade deswegen im Gemeindegottesdienst taufen, weil die Taufe die Aufnahme in die Gemeinde darstellt …

Das fröhliche, gelassene Miteinander beginnt dann im Anschluss im Familienkreis, in dem alles wieder vertraut und damit sicher ist. Und das alles gilt, obwohl wir in vielerlei Hinsicht eine wirklich kinder- und familienfreundliche Gemeinde sind mit Krabbelgottesdiensten, Kinder- und Familienangeboten, zwei kirchlichen Kitas …

Umdenken mit Fragezeichen

„Wie wäre es denn, wenn …“ so haben wir angefangen zu fragen – und dann zusammen mit einigen Ehrenamtlichen ein Modell entwickelt, dass wir nun seit drei Jahren praktizieren. Ich gestehe, dass ich selbst zunächst echt skeptisch war: Würden sich Familien auf dieses in mancher Hinsicht aufwändige Modell mit vorgegebenen Terminen einlassen? Läuft es nicht genau gegen die Individualisierungswelle unserer Zeit und scheitert daran? – Ich nehme das Ergebnis vorweg: Es funktioniert! Es funktioniert sogar sehr gut und die Rückmeldungen aus den Familien sind außerordentlich positiv.

Und so feiern wir jetzt vier Tauffestgottesdienste im Jahr, die wir mit den Tauffamilien gemeinsam vorbereiten:

Die vier Tauftermine in unserer Christuskirche stehen lange im voraus auf unserer Homepage und werden auch anderweitig bekannt gegeben – und mit dem sonntäglichen Tauffest-Gottesdienst zugleich die gemeinsamen Vorbereitungen an einem Samstagvormittag ein paar Wochen zuvor. Taufanmeldungen und möglichst auch die Patenscheine sammeln wir bereits vorab, soweit wie möglich ein und bitten auch, doch schon einen biblischen Taufvers auszusuchen.

Und dann treffen wir uns mit den Tauffamilien (inkl. Täuflingen und ggf. Geschwistern) und soweit wie möglich mit allen Paten samstags um 9 Uhr im Gemeindesaal. Bislang waren immer zwischen 4–9 Familien an einem Termin dabei, sodass es echt quirlig zugehen kann. Es gibt Kaffee, Wasser, Saft, Kekse und etwas Obst – und dann sitzen alle als Familiengruppen an je einem Bistrotisch und mit mir zusammen begrüßen ein bis zwei Ehrenamtliche unserer Gemeinde die Anwesenden und das gemeinsame Programm der nächsten rund 2,5 Stunden beginnt:

Eine Auswahl von laminierten DIN A4-Bildern zeigt verschiedene Taufverständnisse und jede Familie wählt sich ein Foto aus, stellt sich und mit dem Bild ihre Gedanken zur Taufe ihres Kindes vor. Wir merken: Es gibt viele gute Gründe zu taufen – vom Segen Gottes über unser Bekenntnis bis zur Familientradition und der Dankbarkeit der Eltern.

Dann gibt’s erstmal einen Ortswechsel und wir gehen in die Kirche zum Taufbecken, zur Osterkerze und zum Taufbaum mit den Taufblättern der Täuflinge der letzten 3-4 Jahre: Was passiert hier und was bedeutet es? Wir sieht es hier in unserem Tauffestgottesdienste mit allen Familien und der weiteren Gemeinde aus? Und wenn größere Kinder dabei sind, dann „taufen“ wir vielleicht auch schon mal eine Puppe, um alles zu erläutern!

Wenn größere Kinder dabei sind, dann ‚taufen‘ wir auch schon mal eine Puppe, um alles zu erläutern!

Am Ende gewinnen die Familie und die Gemeinde

Dann geht’s zu den Paten und ihrer Rolle: Die ehrenamtlich Mitarbeitenden erzählen, dazu gibt’s ein Video einiger Taufpaten aus unserer Gemeinde, das wir einspielen. Und die Eltern und die Paten schreiben auf vorbereitete Zettel, was sie von den Paten erwarten und erbitten und was diese gerne ihren Patenkindern und deren Familien geben möchten. Natürlich laden wir ein, dass ein wenig davon in der ganzen Runde berichtet wird.

Zwischen allen Teilen gibt’s Lieder, die auf Powerpoint vorbereitet sind und die ich mit Gitarre begleite – Lieder, die wir vielleicht auch im Taufgottesdienst (dann begleitet von Orgel oder Band) singen werden: „Vom Aufgang der Sonne“, „Vergiss es nie“, „Gott hält die ganze Welt in seiner Hand“, „Mögen Engel dich begleiten“ …

Danach gibt’s einen kleinen Input über biblische und geschichtliche Hintergründe der Taufe – klar: Kurz! Und die Stichworte von den Bildern vom Anfang nehme ich wieder auf. Auch der Taufablauf wird nochmal an der Leinwand dargestellt. Danach laden wir ein, die ausgewählten Taufverse auf eine Karte zu schreiben – und sich dazu im Familienkreis auszutauschen und einige Gedanken auf der Rückseite zu notieren; das sind dann wertvolle Stichworte für mich für die Taufansprache! Und wenn wir die Taufsprüche reihum kurz nennen, dann sehen wir auch, ob manche Verse mehrfach gewählt wurden!

Zum Abschluss wird’s kreativ und wir laden ein, die Taufblätter für den Taufbaum zu gestalten und ggf. auch die Taufkerzen – aber jetzt verabschieden sich die Familien dann auch zum Teil und machen dies für sich; manche Kinder sind nach gut zwei Stunden auch echt „durch“!

Und wenn wir uns dann zum Tauffestgottesdienst wiedersehen, dann sind die Familien einander bereits bekannt – und weil es immer diverse Taufen in einem Gottesdienst gibt, können wir sehr gut auch den ganzen Gottesdienst auf die Taufen ausrichten und als wirklichen Tauffest-Gottesdienst gestalten. Und natürlich wirken die Ehrenamtlichen mit, die auch die gemeinsame Vorbereitung mitgestaltet haben.

Im Sommer gehen wir einmal sogar nach draußen und feiern Tauffest-Gottesdienst mit mobilem Taufbecken im Park und laden zum anschließenden Picknick an den Bierzelttischen ein (bringen die Familien aber selbst mit): Das ist nicht nur ein sehr schönes Ambiente, sondern stellt für manche auch eine sehr gute preisgünstige Alternative zum Restaurant dar. Und während dieses Kurparkgottesdienstes werden immer auch Konfirmanden oder Erwachsene in der nahen Nidda mit Untertauchen getauft. Ein wirkliches Gottesdienst-Taufevent open air und mitten in der Stadt!

Ja und es funktioniert tatsächlich: Die Familien lassen sich darauf ein. Nur sehr selten haben wir einzelne Taufen zu anderen Zeiten, wenn es mit den Tauffest-Terminen partout nicht klappt. Das ist aber wirklich die handverlesene Ausnahme.

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