Interaktive Predigt: Raus aus dem Frontalmonolog
Interaktive Predigt: Raus aus dem Frontalmonolog
VON Christian Lehmann
Paulus schreibt in Röm 10,17: „Der Glaube kommt also aus dem Hören der Botschaft …“ Gehören darum „Interaktions-Faxen“ gefälligst nicht in die Predigt? Doch! Zwar ist das Evangelium ein Geschenk von außen, von Gott an uns Menschen, aber das heißt nicht, dass wir uns dieses Geschenk nicht gegenseitig austeilen können. Schließlich schreibt derselbe Paulus in
Zuhörer aktiv einbeziehen
Kol 3,16: „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit!“ – Wie kann dieses „einander“ im Rahmen einer Predigt stattfinden, die ja traditionell ein Frontalmonolog ist? Ich meine, ein sinnvoller Weg ist mehr Interaktion in der Predigt! Wichtig ist zwar das Eingehen auf das, was die Menschen denken oder empfinden (könnten), aber Interaktion meint mehr. Nämlich das aktive Einbeziehen von Menschen mit ihren Überzeugungen und Erfahrungen! Folgende weniger oder mehr intensive Formen fallen mir ein bzw. praktiziere ich teilweise:
- Den Predigttext bzw. einen für die Predigt relevanten Bibeltext gemeinsam lesen, z.B. mithilfe ausgelegter Bibeln oder des ausgedruckten oder projizierten Textes.
- Vor der Predigt Reaktionen dazu einfangen: Was spricht dich/Sie positiv an? Was fordert dich/Sie heraus?
- (Unverfängliche!) Umfragen per Handzeichen oder Aufstehen durchführen (z.B. „Wem ist schon einmal die Frage durch den Kopf geschossen, was wäre, wenn es Gott nicht gäbe?“ o.a.).
- Während der Predigt nicht nur rhetorische, sondern echte Fragen stellen und ermutigen, die Antwort in den (Kirch-)Raum zu rufen. Selbst durch einfache (Ja/Nein-)Fragen steigt der Puls der Zuhörer und damit die Aufmerksamkeit, genauso wie das Gefühl, dass man hier wirklich mitdenken darf und soll. Beispiel: Jesus fragt uns (in Mt 16,26): „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Wie lautet die Antwort? – Eventuell traut sich jemand, „Niemand!“ in den Raum zu rufen; erfahrungsgemäß werden viele die Antwort eher leise vor sich hin sagen. Aber alle sind gefragt, aktiv mitzudenken.
- Gemeindeglieder interviewen (vorbereitet oder spontan); vielleicht sogar mit einem mobilen Mikro die Gelegenheit geben, vom Platz aus etwas zu sagen. Die Frage könnte auch zu Beginn des Gottesdienstes genannt werden, so dass niemand völlig davon überrumpelt wird.
- Bequem, weil anonym, und gleichzeitig technisch faszinierend und anschaulich sind Umfrageapps (z.B. Slido), die während des Gottesdienstes eingesetzt werden können. Z.B. stelle ich zu Beginn des Gottesdienstes eine Frage, auf die Gemeindeglieder mit Smartphone antworten können. Auf die Ergebnisse, die wahlweise als Wortwolke, Textantworten oder Diagramm dargestellt und projiziert werden können, gehe ich dann während der Predigt ein – und bin nicht selten (positiv!) überrascht.
Interaktion erhöht die Aufmerksamkeit und damit die nachhaltige Wirkung der Predigt.
Interaktion erhöht die Aufmerksamkeit
Ich gebe zu: Der klassische Frontalmonolog ist die arbeitsökonomischste Form der Verkündigung. Jede Interaktion erfordert mehr Aufwand, bessere Vorbereitung, höhere Flexibilität und nicht zuletzt Spontaneität und Moderationskompetenz. Aber ganz gewiss erhöht sie die Aufmerksamkeit und damit die nachhaltige Wirkung der Predigt.
AUTORIN · AUTOR
Christian Lehmann ist Gemeindepfarrer in Walheim (Württemberg). Er ist Autor des Buches „Einfach von Gott reden“ und Schriftleiter der Predigthilfe „Zuversicht und Stärke“. Joggen, lesen oder ein Stück Obstwiese pflegen tun ihm an Körper, Geist und Seele gut.