Auf Sendung
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VON Felix Eiffler
Was passiert mit Kirche, wenn Menschen Jesus begegnen und sich von ihm senden lassen? Hoffnungsvolle und herausfordernde Sätze entdeckt in Dr. Felix Eiflers Buch „Kirche hier und jetzt“.
Im Alter von fünfzehn Jahren bin ich Christ geworden. Bis dahin war es mein Traum, Politiker (am besten Bundeskanzler) oder Unternehmer (also Chef) zu werden. Ich stamme aus einer Unternehmerfamilie und habe mit der Bundestagswahl 1998 und dem damit verbundenen Regierungswechsel mein Interesse für Politik entdeckt (im Alter von 14 Jahren_– aus heutiger Sicht fast ein bisschen nerdig). Ende 1999 lernte ich eine Gruppe engagierter Christen kennen, die im Auftrag der Berliner Stadtmission eine Gemeinde in Berlin-Hellersdorf gegründet hatten. Mit dieser bunten Truppe feierte ich Weihnachten und besuchte danach regelmäßig ihre „Jesus Partys“_– eine Art Hybrid aus Gottesdienst und Party. Was mich an ihnen faszinierte: Ich hatte das Gefühl, dass diese Leute Gott kannten. Sie waren ihm begegnet und glaubten auf eine Art, die ich bisher nicht gekannt hatte. Ich war zwar im Mai 1999 konfirmiert worden, aber diese Erfahrung war neu für mich. Ich wurde neugierig und fing an, in der Bibel zu lesen, zu beten, und besuchte einen Glaubenskurs. Was ich dann_– Anfang des Jahres 2000_– erlebte, war spannend: Beim Lesen der Bibel (die ich erstmals ernsthaft lesen wollte) merkte ich, dass es nicht nur ein Buch war: Die Person, die in den Texten beschrieben wird (ich hatte mit dem Lukasevangelium begonnen), kam mir zunehmend bekannt vor, da es dieselbe Person war, die gerade an die Tür meines Herzens klopfte. Ich spürte, dass Jesus Christus, wie ihn die Bibel beschrieb, gerade Teil meines Lebens wurde und begann, mein Herz zu erobern. Diese Erfahrung hatte ich vorher noch nie gemacht, und sie machte mich froh und neugierig. Froh, weil ich merkte, dass da jemand ist, der mich völlig durchschaut und zugleich zutiefst liebt. Und neugierig auf Gott. Die Begegnung mit Gott weckte eine tiefe Sehnsucht …
Freudenschrei
Seit jener Zeit bin ich Christ und mein Leben hat eine ordentliche Wendung vollzogen. Ich entschied mich für ein Theologiestudium mit dem Ziel, Pfarrer zu werden – ein Beruf, der mir vorher niemals in den Sinn gekommen wäre. Seither spüre ich den Wunsch, die großartige Erfahrung, Gott zu entdecken, mit allen Menschen zu teilen. Ich spüre, wie mich Gottes Liebe drängt (vgl. 2. Korinther 5,14). Ich kann den Freudenschrei nicht unterdrücken. Es ist wie bei einem guten Witz: Man muss einfach lachen. Oder wie bei einem genialen Song: Er wird noch schöner, wenn man ihn teilt. Ich bin meinen ersten christlichen Freunden äußerst dankbar, dass sie sich aufgemacht und ihren Glauben mit mir geteilt haben. Sie haben mich in ihre Beziehung zu Christus eingeladen und mir die Chance eröffnet, Christ zu werden. Die Bereitschaft, ihren Glauben für andere zu öffnen und zu teilen, hat mich inspiriert. Meinem Glauben wohnt der tiefe Wunsch inne, für andere offen zu sein und Menschen die Chance zu eröffnen, das Evangelium zu hören und dessen Relevanz für ihr Leben zu entdecken. Der englische Theologe und ehemalige Erzbischof von Canterbury Rowan Williams schreibt, dass Kirche „dort Gestalt bekommt, wo Menschen dem auferstandenen Jesus begegnen und ihr Leben darauf ausrichten, diese Begegnung in der Begegnung miteinander fortzuführen und zu vertiefen“…
Kirche nimmt dort Gestalt an, wo Menschen dem auferstandenen Jesus begegnen.
Kirche nimmt dort Gestalt an, wo Menschen dem auferstandenen Jesus begegnen. Eine Spur findet sich im Apostolischen Glaubensbekenntnis, dem Bekenntnis, das vermutlich am häufigsten in Gottesdiensten gesprochen wird. Dort heißt es von der Kirche, dass sie die „Gemeinschaft der Heiligen“ sei. In der Formulierung „Gemeinschaft der Heiligen“ steckt ein doppelter Sinn: Sie beschreibt einerseits die Gemeinschaft derer, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Christus als Heilige bezeichnet werden, und andererseits wird mit dieser Formulierung die Gemeinschaft mit den „heiligen Dingen“ – das heißt mit Gott selbst – ausgedrückt. Kirche ist also die Gemeinschaft derer, die mit Gott selbst Gemeinschaft haben…
Kirche ist nach Epheser 4,4-5 die Gemeinschaft derjenigen, in deren Mitte das Evangelium gepredigt und die Sakramente gefeiert werden. Wenn dies geschieht, dann vertraut diese Gemeinschaft darauf, dass Gott selbst unter ihnen ist und den Glauben wirkt, „wo und wann er will“. In der christlichen Gemeinschaft, die wir Kirche nennen, verbindet sich menschliche Gemeinschaft mit göttlicher Gemeinschaft. Oder wie Williams es formuliert: Kirche bekommt „dort Gestalt, wo Menschen dem auferstandenen Jesus begegnen und ihr Leben darauf ausrichten, diese Begegnung in der Begegnung miteinander fortzuführen und zu vertiefen“. Die Begegnung mit Jesus in der menschlichen Gemeinschaft fortzuführen und zu vertiefen – das ist Kirche.
Jesus begegnen und sich von ihm senden lassen
Glaube entsteht also durch die Begegnung mit Jesus Christus, und die Gemeinschaft derer, die Jesus begegnet sind und zu ihm gehören, ist die Kirche. Das Spannende ist nun, dass diese Begegnung nicht ohne Folgen bleibt. Ich habe oben bereits angedeutet, dass es mit dem Glauben wie bei einem guten Witz ist: Man muss einfach lachen. Die Pointe drängt einen förmlich dazu. Paulus drückt es so aus: „Denn uns treibt die Liebe an, die Christus uns erwiesen hat“ (2. Korinther 5,14). Wenn Gottes Liebe einen Menschen trifft, dann erfasst die Sendungsdynamik der göttlichen Liebe das Leben dieses Menschen und treibt ihn zu ungeahnten und überraschenden Haltungen und Taten. So wie Zachäus, dessen Leben durch das Essen mit Jesus ordentlich auf den Kopf gestellt wurde. Die Erfahrung der bedingungslosen Liebe und barmherzigen Zuwendung Gottes verändert das Herz. Gott zu begegnen, bedeutet zu erkennen, dass man komplett durchschaut und erkannt und zugleich zutiefst geliebt und bejaht ist. Vor Gott erkennt ein Mensch, wer er oder sie im Tiefsten ist– mit allen Unzulänglichkeiten, Schwächen und Abgründen. Vor Gott erkennt ein Mensch aber auch, welch unzerstörbaren Wert und welch unveräußerliche Würde er oder sie hat. Vor Gott erkennt ein Mensch, was er oder sie sein kann, welche Potenziale Gott freilegt und neu schafft: Diese Erfahrung befreit von Selbstbezogenheit, Egoismus und der Angst, zu kurz zu kommen. Erst durch diese innere Freiheit wird es uns möglich, andere – auch Gott – wirklich zu lieben, denn Liebe setzt Freiheit von sich selbst voraus. Wer liebt, tut etwas für die anderen, ohne dabei an sich selbst zu denken. Der Fokus liegt auf dem Gegenüber und dessen Wohlergehen. Dass die Erfahrung der Liebe Gottes frei von Selbstbezogenheit macht, bedeutet nicht, dass ein Mensch, der Jesus begegnet ist, völlig frei von Egoismus und dergleichen wäre – keineswegs! Aber der Glaube birgt das Potenzial, unser Herz nachhaltig zu verändern, wie der Kirchenvater Augustinus es in einem Gebet formuliert: „Denn zu deinem Eigentum erschufst du uns, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir.“ Diese Ruhe, von der Augustinus spricht, kann man auch mit anderen Metaphern ausdrücken: heimkommen, den Sinn des Lebens entdecken, seine Bestimmung erkennen etc…
Kirche ist gesandt
Kirche verdankt sich der Liebe, der Initiative und dem Handeln Gottes. Kirche ist Gesandte Gottes oder sie ist nicht Kirche. Das Subjekt der Mission ist Gott selbst. Diese Tatsache stand der Kirche leider nicht immer klar genug vor Augen, sodass Mission auch viel Schaden verursacht hat. Die Rückbesinnung auf das Warum der Kirche schützt vor einer eigenmächtigen und nur dem Erhalt der Kirche dienenden Mission. Eine solche „Mission“ wäre keine legitime Ausdrucksform der göttlichen Mission, sondern ein Zerrbild und eine illegitime Aneignung und Entstellung der Mission Gottes. Jürgen Moltmann bündelt diese Überlegungen folgendermaßen: „Nicht sie (die Kirche) hat eine Mission des Heils an der Welt zu erfüllen, sondern die Mission des Sohnes und des Geistes durch den Vater hat sie und schafft sich auf ihrem Wege Kirche. … So ist das ganze Sein der Kirche durch Teilnahme an der Geschichte Gottes mit der Welt gekennzeichnet. Das Apostolische Glaubensbekenntnis drückt diese Wahrheit dadurch aus, dass es das „Credo Ecclesiam“ (ich glaube an die Kirche) in das Credo in „Deum triunum“ (ich glaube an den dreieinen Gott) integriert. Unter dieses Niveau sollte keine Ekklesiologie (Lehre von der Kirche) sinken.
Die Anglikanische Gemeinschaft hat in einem längeren Prozess fünf Merkmale der Mission Gottes formuliert. Ich finde sie überaus hilfreich, um die umfassende Bedeutung der göttlichen Mission mit all ihren Facetten zu beschreiben. Diese Beschreibung lautet: Die Mission der Kirche ist die Mission Christi,
- die gute Nachricht vom Reich Gottes zu verkünden,
- neue Glaubende zu lehren, zu taufen und zu fördern,
- auf menschliche Nöte mit liebevollem Dienst zu reagieren,
- ungerechte gesellschaftliche Strukturen zu verändern, Gewalt in jeder Form anzufechten und Frieden sowie Versöhnung zu suchen,
- nach Schutz und Unversehrtheit der Schöpfung zu streben sowie das Leben auf Erden zu erhalten und zu erneuern.
Die fünf Punkte spannen einen weiten Bogen und zeigen die Bandbreite der Themen und Bereiche des Lebens, welche die Mission Gottes umfasst. Dieses ganzheitliche Verständnis von Mission stellt in gewisser Hinsicht das Ergebnis eines intensiven Diskurses innerhalb der Missionswissenschaft der letzten Jahrzehnte dar. Gegenstand dieser Diskussion zwischen dem verheißungsgeschichtlichen und dem heilsgeschichtlichen Flügel war die Frage, ob Mission (allein) in Wortverkündigung und Evangelisation oder (vorrangig) in sozialem Dienst und Diakonie besteht. In den letzten Jahrzehnten zeichnet sich, wie bei den erwähnten fünf Merkmalen der Mission der Anglikanischen Gemeinschaft, ein Konsens ab, der betont, dass sowohl Verkündigung und Zeugnis als auch Dienst zur Sendung der Kirche gehören. Die Kurzformel könnte lauten: Zur Mission gehören Heil und Wohl. Eine weiterhin offene Frage ist diese: Stehen Heil und Wohl gleichberechtigt nebeneinander oder gibt es eine Priorität? Die Reihenfolge der fünf Merkmale kann auch als Priorisierung verstanden werden, welche mit dem ganz Eigenen des kirchlichen Handelns, dem Proprium der Kirche, beginnt (Merkmal 1 und 2), um dann das missionarische Tun zu beschreiben, das nicht allein von der Kirche getan wird (Merkmal 3 bis 5). Die Kirche kann in den ersten beiden Punkten nicht vertreten werden, da dort explizit christlichkirchliche Vollzüge beschrieben werden, während in den anderen Bereichen auch zahlreiche nicht kirchliche und nicht christliche Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen tätig sind. „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sein Leben dabei verliert? Was kann ein Mensch einsetzen, um sein Leben dafür einzutauschen?“, fragt Jesus in Matthäus 16,26. Mit Blick auf diesen Vers sowie das Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lukas 12,16-21) spricht Michael Herbst von einem „kleinen sachlichen Prae der Evangelisation“. Er meint damit, dass der Bezeugung des Evangeliums eine kleine sachliche (nicht zeitliche!) Vorrangstellung zum diakonischen Handeln zukommt, da es sich bei dem Glauben an das Evangelium um die „letzten Dinge“ des Lebens handelt: Versöhnung mit Gott und ewiges Leben.
Kirche verdankt sich der Liebe, der Initiative und dem Handeln Gottes.
Die Versöhnung des Menschen mit Gott ist der Kern beziehungsweise das „Herzstück“ der Mission Gottes: „Das Ziel der Mission Gottes ist die Versöhnung ‘in jeder Beziehung‘, mithin das Heilwerden der gesamten Schöpfung mit allen ihren Kreaturen.“ Das heißt, ganzheitliche Mission kann mit Michael Herbst folgendermaßen charakterisiert werden: Es handelt sich um ein Verständnis der Mission, „welches das Wohl des Menschen und der Schöpfung im Blick hat, dabei aber nicht vergisst, dass das zerbrochene Gottesverhältnis die Wurzel des Übels ist und darum das Heil des Menschen und der Schöpfung nicht gedacht werden kann, ohne dass der Mensch wieder in das rechte Verhältnis zu Gott zurückfindet. Trotzdem schließt die Missio Dei alles ein, was Gott zum Wohl der Welt tut und getan wissen will: medizinische Fürsorge und Bildungsarbeit, politisches Engagement und Seelsorge, Friedensarbeit und Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung, Diakonie und Evangelisation. Sie ist Präsenz, Konvivenz, Dialog, Begegnung mit dem Fremden_– und sie kann in alledem nicht schweigen von Jesus Christus, bezeugt sein Heil, das jedem gilt und von dem niemand ausgeschlossen bleiben darf, sie wirbt um Vertrauen, lädt zum Glauben ein und hofft auf Konversion (in allem, was sie tut).“ Das bedeutet auch, dass man trotz einer kleinen sachlichen Differenzierung die verkündende und die diakonische Dimension der Mission weder voneinander lösen noch gegeneinander ausspielen kann, ohne der Mission Gottes einen ernsthaften Schaden zuzufügen…
Den Schatz des Evangeliums entdecken
Das kirchliche Bemühen um Menschen zielt nicht auf die Gewinnung von Kirchenmitgliedern. Ziel und Zweck aller missionarischen Aktivitäten ist, Menschen zu helfen, den Schatz des Evangeliums zu entdecken. Wenn sich Menschen aufgrund einer Begegnung mit dem Auferstandenen für Taufe und Kirchen- oder Gemeindemitgliedschaft entscheiden, ist das eine sinnvolle Konsequenz dieser Erfahrung. Es kann aber nicht das primäre Ziel sein, dass diese Menschen nun Mitglieder in meiner Kirche oder Gemeinde werden. Wenn dies geschieht, ist das schön, aber es ist kein hinreichender Grund für Mission. Dass die Kirchen in Deutschland schrumpfen, ihr Einfluss schmilzt und ihr Prestige sinkt, ist definitiv bedauerlich und sollte nicht leichtfertig und naiv allzu überschwänglich begrüßt werden. Aber dies ist nicht der Grund, warum die Kirche Menschen zum Glauben einlädt. Mission ist keine Maßnahme zur Rettung der Institution Kirche! Abgesehen davon, dass Menschen unsere (eigentliche) Motivation ziemlich zielsicher wahrnehmen würden, ist es auch theologisch fragwürdig und kaum nachhaltig, die Mission als Überlebensstrategie der Kirche zu missbrauchen. Die Perspektive der Mission ist das Reich Gottes. Dass zum Christsein die Zugehörigkeit zum Leib Christi gehört, ist unstrittig. Aber es muss eben nicht meine Konfession oder Gemeinde sein, in der Menschen ihren Platz finden, damit ich meine missionarischen Bemühungen als „erfolgreich“ betrachten kann. Mission muss sich am Reich Gottes orientieren, denn die Mission der Kirche ist die Mission von Jesus Christus …
„Mission accomplished!“ Wir rufen das erleichtert aus, wenn eine Aufgabe oder ein Auftrag erfolgreich erledigt wurde. Fertig! Geschafft! Für die Mission Gottes heißt das: Erst mit der Rückkehr von Jesus und wenn alles durch und durch mit dem Reiches Gottes durchdrungen ist, ist diese Mission erfolgreich abgeschlossen. Vorher nicht. Die Kirche befindet sich bis dahin in einem „infinite game“, einem unendlichen Spiel. Damit beschreibt Simon Sinek eine Unternehmung, deren Ziel nicht endlich ist und nicht in bestimmten Zwischenzielen oder Daten gemessen werden kann. Das „unendliche Spiel“ dreht sich nicht um Quartalsabschlüsse oder die Marktführerschaft, sondern um etwas, das größer ist als wir selbst und dessen Verwirklichung ein steter Prozess ist. Beispiele dafür sind Menschenrechte, die Grundwerte einer Verfassung oder die Sicherheit von Bürgerinnen und Bürgern. Natürlich ist die Kirche kein Unternehmen und ihre Mission größer als eine staatliche Verfassung. Die Einsichten von Sinek sind aber trotzdem für die Mission der Kirche spannend. Sie können uns helfen zu verstehen, dass man die Aufgabe (oder das „Spiel“) der Mission ebenso wenig gewinnen kann wie das „Spiel“ der Liebe oder der Demokratie. Mission ist ein fortwährender Prozess, ein Ringen, ein Scheitern, ein Wachsen und ein Lernen. Die Mission Gottes ist wohl die unendlichste aller Unternehmungen, an der Menschen beteiligt sind. Um dieser Aufgabe treu zu sein, müssen wir sie stets in der großen Perspektive des Reiches Gottes wahrnehmen. Dabei dürfen wir die Zwischenziele – wie Umkehr, vitale Gemeinden, sozialer Dienst – nicht mit dem großen Ziel, der Anbetung Gottes, verwechseln. Schließlich wird die Kirche dieser Aufgabe nur gerecht, wenn es ihr nicht um den „Sieg“ ihrer Konfession geht, sondern um die Ehre Gottes.
Mission ist ein fortwährender Prozess, ein Ringen, ein Scheitern, ein Wachsen und ein Lernen.
An der Hoffnung festhalten, den Mühen nicht ausweichen
Das sogenannte „Stockdale-Paradox“ bietet eine schöne Metapher für die Spannung der Mission zwischen der Hoffnung auf Gottes Reich und dem scheinbar endlosen Weg bis dahin. Jim Stockdale war Admiral der US-Marine und von 1965–1973 in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft, wurde über zwanzig Mal gefoltert und verbrachte die Jahre in Ungewissheit, ob er das Gefängnis je wieder verlassen wird. Auf die Frage, wie man eine solche Tortur überlebt, sagt er, dass er nie die Hoffnung verloren hat, jemals das Gefängnis zu verlassen. Das hat ihn durchhalten lassen, die Hoffnung. Auch Viktor Frankl berichtet das aus dem KZ: Diejenigen, die keine Hoffnung mehr hatten, sind gestorben. Auf die Frage, wer es nicht geschafft hat, antwortete Stockdale: „Das ist einfach zu sagen: die Optimisten.“ Das sind diejenigen, die sagten: „Weihnachten sind wir zu Hause!“ Und nachdem Weihnachten verstrichen war, sagten sie: „Ostern sind wir zu Hause!“ Und so weiter. Schließlich starben sie an einem gebrochenen Herzen. „Das ist eine wichtige Lektion. Du darfst die Hoffnung, dass am Ende alles gut wird (eine Hoffnung, die du niemals aufgeben darfst), nicht verwechseln mit der Notwendigkeit, dich den brutalen Fakten deiner gegenwärtigen Realität zu stellen – wie auch immer diese aussehen.“ Ein resilienter, also ein widerstandsfähiger Glaube hält beide Aspekte zusammen: die feste Hoffnung auf Gottes Zukunft einerseits und andererseits die Bereitschaft, die Schwierigkeiten und Mühen des Weges dorthin ernst zu nehmen und ihnen nicht auszuweichen.
Weiterlesen:
„Kirche hier und jetzt.“ Wie Christen Gottes Mission treu sind und ihrem Kontext gerecht werden (SCM R.Brockhaus)
Titelfoto von Olena Bohovyk auf Unsplash
AUTORIN · AUTOR

Dr. Felix Eiffler hat in Berlin, Seoul und Greifswald Evangelische Theologie studiert und wurde 2019 mit der Arbeit »Kirche für die Stadt. Pluriforme urbane Gemeindeentwicklung unter den Bedingungen sozialer Segregation« promoviert. Er war von 2011 bis 2015 Studieninspektor am Theologischen Studienhaus Greifswald und von 2015-2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter am »Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung« (IEEG) der Universität Greifswald sowie Assistent am Lehrstuhl für Praktische Theologie bei Prof. Dr. Michael Herbst. Seit 2022 leitet er die Forschungsstelle »Missionale Kirchen- und Gemeindeentwicklung« (MKG) am Forschungszentrum »Center for Empowerment Studies – christliches Empowerment in der Säkularität« (CES) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er lebt mit seiner Familie in Halle/Saale.
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