Lehrgeld gezahlt
Lehrgeld gezahlt
VON Matthias Kleiböhmer
Wenn der Klingelbeutel leer bleibt. Von einer Spendenidee, die floppte
Die Idee: Du spendest – und bekommst dafür etwas. Hört sich nicht schlecht an, damals um das Jahr 2008. Es ist die Zeit der Finanzkrise, und da werden wir erfinderisch: Eine Rabattkarte soll zu Spenden für die Kirche motivieren. Wer seine Gemeinde regelmäßig unterstützt, bekommt die „KirchenCard“, eine Variante der Bonuskarte des „Beamtenselbsthilfewerkes“. Damals das größte System dieser Art in Deutschland mit 900.000 Nutzerinnen und Nutzern.
Mit Mut losgelegt …
Es folgen Diskussionen, rechtliche Prüfungen und die mutige Gründung einer Stiftung, die das ganze Verfahren organisieren und Gemeinden motivieren soll. Nach jahrelanger Vorarbeit geht’s endlich los. Trotz mancher Widerstände, und obwohl viele nicht mehr daran geglaubt haben. Es zeigt sich: man braucht eine Idee und die Energie, sie umsetzen, selbst wenn es nicht immer nur Rückenwind gibt. Beides kommt in diesem Fall aus der Creativen Kirche, einer Einrichtung innerhalb der Landeskirche. Hier gibt es damals wie heute chronisch mehr Ideen als Geld, sie umzusetzen. Und offenbar den nötigen Mut, auch mal etwas zu riskieren.
Aber die Sache läuft nicht recht. Gemeinden haben Bedenken und Sorge vor Kommerzialisierung. Was aber noch wichtiger ist: Es motiviert nur wenige Spenderinnen und Spender. Ist die Idee zu kompliziert? Ist es der falsche Anreiz, dass man selbst auch etwas Geld beim Einkauf sparen kann? Vermischen sich da vielleicht zwei Ebenen, die man gefühlsmäßig nicht zusammen bekommen; also das Geben und das Bekommen? Es gibt Theorien dazu, aber manchmal muss man sich eingestehen: „Vielleicht geht es einfach nicht.“ Und dann hat eben Lehrgeld gezahlt.
Wenn man mittendrin ist, tut das Scheitern manchmal richtig weh.
Das ist die Zeit, in der ich dazu komme. Ein Theologe und ausgebildeter Fundraiser soll der Sache ein letztes Mal Schwung verleihen. Also arbeite ich mich ein, probiere, sprechen mit denen, die das System nutzen und vor allem mit denen, die es nutzen könnten. Und es passiert: nichts. Das Ende einer guten Idee. Mein erster großer Termin mit den leitenden Verantwortlichen ist auch mein letzter. Das Projekt wird beendet. Und ich sitze denkbar schlecht auf einer befristeten Stelle – mit einem Immobilienkredit und dem Ultraschallfoto unseres Sohnes in der Tasche. Wenn man mittendrin ist, tut das Scheitern manchmal richtig weh.
… und krachend gescheitert
Das ist 15 Jahre her. Ich arbeite immer noch bei der Creativen Kirche, und alle anderen Kollegen des damaligen Teams auch. Wir sind damals krachend gescheitert, und haben doch gemeinsam eine geistliche Heimat und eine sinnstiftende, erfüllende Aufgabe gefunden. Was ich persönlich gelernt habe: Wenn Du etwas Neues anfangen willst, brauchst Du einen sicheren Stand. Den habe ich. Das sind mein Glaube, meine Familie und die Gemeinschaft, in der ich arbeite. Und Du brauchst immer mehr als eine Idee, dann kannst Du nach dem Scheitern direkt weitermachen. Der Tag, an dem Du Dich von einer Idee verabschiedest, ist der Tag, an dem der Platz für eine neue entsteht.
Foto von Vitalii Khodzinskyi auf Unsplash
AUTORIN · AUTOR
Matthias Kleiböhmer ist Theologe, Autor und Fundraiser und hat in den letzten 15 Jahren weit mehr Ideen scheitern als gelingen sehen. Er ist der Communitypastor der Stiftung Creative Kirche.
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